Vor Kurzem ist die zweite Auflage des Buchs „Collaborative UX“ von Toni Steimle (UX Director & Head of Site Zürich) und Dieter Wallach (Managing Director) erschienen. Anlässlich dazu gab es einen kurzen Fotoshoot mit den stolzen Autoren und dabei hat sich Senior Communication Manager Esther Barra die beiden geschnappt, um ihnen ein paar Fragen zu Collaborative UX, den Verbesserungen in der zweiten Auflage und dem gemeinsamen Schreibprozess zu stellen.
Was ist der grösste Vorteil oder Mehrwert von Collaborative UX Design?
Dieter: Collaborative UX Design bezieht unterschiedliche Perspektiven und Ziele aller beteiligten Stakeholder in die Produkt- und Serviceentwicklung ein. Die cross-funktionale Kollaboration hilft uns dabei, innovative Lösungen zu entwickeln. Erfolgreiches UX Design verstehen wir als sorgfältige Balance unterschiedlicher — sich teilweise widersprechender — Anforderungen. Zum Beispiel Bedürfnisse, die sich von Nutzenden ergeben, technische Rahmenbedingungen oder auch Anforderungen, die aus dem Businessmodell folgen. Diese verschiedenen Sichtweisen werden in kollaborativen Workshops methodisch unterstützend eingebracht — auch, wenn das eine vielleicht erschütternde Nachricht für manche UX Designerinnen und Designer ist, die sich als Heldinnen und Helden verstehen: Für Heros, die allein eine Produkt- oder Serviceentwicklung verantworten wollen, haben wir keine Rolle. Wir verstehen uns im UX Design eher in der Funktion von Dirigent:innen. Wir orchestrieren die Kollaboration, fördern, methodisch unterstützt, die emphatische, auf ein gemeinsames Ziel gerichtete Zusammenarbeit bei der Produkt- oder Serviceentwicklung. Darin sehe ich das zentrale Anliegen unseres Vorgehensmodells.
Wie kam es zu überhaupt zu eurem ersten Buch?
Dieter: Toni und ich sind schon lange befreundet und auch fachlich verbunden. In unseren Diskussionen haben wir darüber gesprochen, dass wir beide kein Lehrbuch kennen, in dem wir alle Perspektiven, die wir bei der Entwicklung innovativer Systeme für relevant halten, in einer praxisorientierten Weise vereint sahen. So entstand die Idee, ein Lehrbuch zu schreiben, dass diese Lücke füllt. In unserem Buch steht im Mittelpunkt ein Fallbeispiel, das wie ein roter Faden durch die Anwendung eines Prozessmodells führt. Unser Ziel war es, Lean UX, Design Thinking, agile Entwicklung und mensch-zentriertes Design anschaulich in ihrem Zusammenwirken zu verknüpfen. In unseren Vorlesungen haben wir gemerkt, wie sehr Studierende es schätzen, wenn wir Methoden, Praktiken und Theorien praxisorientiert anhand konkreter Beispiele vorstellen. Deshalb haben wir für unser erstes gemeinsames Buch ein Fallbeispiel entwickelt, anhand dessen wir konkret illustrieren, was wir inhaltlich auf theoretisch-methodischer Ebene vermitteln möchten. Lesende begleiten im Buch ein Team, das sich mit der Überarbeitung einer bestehenden Software beschäftigt. Ein Vorgehensmodell zeigt dabei sowohl die fortlaufende Standortbestimmung im Projektverlauf, als auch die zielorientierte Auswahl nächster Aktivitäten. Wir haben in unserem Fallbeispiel mit Absicht keine Neukonzeption eines Produktes oder Services gewählt, denn tatsächlich kommen in der Praxis häufiger Produktrevisionen als komplette Neuentwicklungen vor.
Toni: Wir haben in unserem Buch sowohl etablierte als auch weniger bekannte Methoden beschrieben — vor allem kam es uns dabei auf deren Zusammenspiel mit kollaborativen Workshops an. Die Anwendung von UX-Methoden ist oft eine Herausforderung für Designer:innen — unser Buch ist ein Versuch, diese praxisnah und pragmatisch zu beschreiben und damit die Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern zu strukturieren. Visualisierungen sind dafür bedeutungsvoll, daher haben wir im Buch durchgehend Maps verwendet, in denen wir Ergebnisse für alle nachvollziehbar festhalten. Selbstverständlich ist Kollaboration nicht in jeder Situation gefragt oder auch sinnvoll: Manche Methoden lassen sich in Einzelarbeiten besser anwenden — die daraus resultierenden Ergebnisse werden dann gemeinsam zusammengeführt.
Dieter: Nicht bei jedem Projekt ist die vollständige Anwendung aller vorgestellten UX-Methoden notwendig oder ratsam: Die konkrete Auswahl hängt von der jeweiligen Ausgangslage und den verfolgten Zielen ab. In unserem Buch haben wir Methoden dargestellt, mit denen wir besonders positive Erfahrungen gemacht haben. Selbstverständlich gibt es noch weitere bedeutsame Praktiken, die wir hier nicht berücksichtigt haben, denn aus unserer Sicht bilden die vorgestellten Methoden ein solides Gerüst für ein agiles, mensch-zentriertes Vorgehensmodell. Wir wollten erklären, warum die skizzierten Workshops in einer logischen Sequenz zueinander stehen, und die Ergebnisse der Anwendung von Methoden aufeinander aufbauen. Die erste Auflage von »Collaborative UX Design« haben wir selbst in der Lehre eingesetzt und dadurch verstanden, an welcher Stelle Ergänzungen für eine bessere Nachvollziehbarkeit notwendig sind und wo mehr Theorie zur Fundierung erforderlich ist.
Das ist sicherlich sehr aufschlussreich, wenn ihr wirklich direktes „Marktfeedback“ erhalten habt. Was ist neu in der zweiten Auflage?
Dieter (lacht): Die Farbe!
Insgesamt haben wir die theoretische Fundierung verstärkt. Dabei sind wir einen Mangel angegangen, der uns bei dem ersten Buch schon bei der Abgabe des Manuskriptes störte: Das Thema der agilen Verzahnung von UX Design und Development war nicht ausführlich genug dargestellt. In der zweiten Auflage haben wir diesen Mangel behoben. Ebenso haben wir neue Methoden integriert, die in der Praxis wertvolle Erkenntnisse liefern, aber auch leichtgewichtig und einfach anwendbar umzusetzen sind.
Toni: Tatsächlich haben wir das Feedback zur ersten Auflage in die neue Auflage einfliessen lassen. So haben wir Aktivitäten, die zwischen den gemeinsamen Workshops im Projektteam, stattfinden, erläutert und dabei Praktiken vorgestellt, die sich allein oder in Zweiergruppen effizienter und effektiver durchführen lassen. Manche Inhalte sind in der zweiten Auflage ganz neu, wie das Kapitel über Research, oder die erwähnte Verzahnung mit dem Development. Insgesamt haben wir einen grossen Teil neu geschrieben und sehr vieles überarbeitet.
Super! Das klingt nach einer Menge neuem Inhalt. Wer sollte dieses Buch lesen?
Dieter: Laut Buchumschlag richtet sich das Buch an UX Designer:innen, Produktdesigner:innen, Softwaredesigner:innen, Produktmanager:innen und Innovationsteams. Diese Liste lässt sich durchaus erweitern, denn tatsächlich richtet sich das Buch an alle Menschen, die daran interessiert sind, innovative Produkte und Services, mensch-zentriert zu entwickeln. Dies können, müssen aber nicht UX Designer:innen sein — es geht ja um die Zusammenarbeit in cross-funktionalen Teams.