"English is the hottest new programming language“ – mit dieser Aussage sorgte Andrej Karpathy, ehemaliger Leiter der Tesla-KI-Abteilung, 2023 für Aufsehen. Heute spricht er von Vibe Coding: einem neuen Entwicklungsstil, bei dem Code zur Nebensache wird. Statt zu programmieren, beschreiben wir, was passieren soll – in natürlicher Sprache, per Screenshot oder sogar mit einem Figma-Board. Tools wie v0, Cursor oder Windsurf machen genau das möglich.
Vibe Coding klingt nach Magie – und fühlt sich manchmal auch so an. Doch was bedeutet dieser Paradigmenwechsel für die Zusammenarbeit von Design und Development? Wir werfen einen Blick auf Chancen und Herausforderungen – aus zwei Perspektiven: Nico schildert seine Erkenntnisse als Entwickler und Milena nimmt die Designer-Perspektive ein.

Vibe Coding: Zwischen Magie und Verantwortung
Entwickler-Perspektive
Als Entwickler arbeite ich täglich mit LLMs – und seit Tools wie Cursor und Windsurf direkt im Editor eingebunden sind, hat sich mein Workflow stark verändert. Mit einem einzigen Prompt kann ich Code analysieren, schreiben und testen lassen. Plattformen wie v0 gehen noch weiter: Ich beschreibe, was ich brauche – die Anwendung entsteht fast wie von selbst.
Das ist faszinierend – und gleichzeitig herausfordernd. Denn was schnell entsteht, muss langfristig wartbar und sicher bleiben. Ich sehe oft, wie der gleiche Mindset für Prototypen auch in produktionsnahe Features übernommen wird – und genau dort entsteht AI Slop: Code, der funktioniert, aber nicht tragfähig ist.
Für mich hat sich die Rolle klar verschoben: Ich schreibe weniger selbst, aber ich steuere, prüfe und entscheide mehr. Es geht darum, zu erkennen, wann die KI einen schlechten Lösungsansatz wählt oder wann ein Ergebnis nicht „gut genug“ ist. Das funktioniert nur, wenn ich die Tools situativ und reflektiert einsetze – und nicht jedem Output blind vertraue.
Gerade für Juniors stellt sich die Frage: Wie lernt man in dieser neuen Realität Verantwortung? KI erleichtert den Einstieg – aber Architekturverständnis, Performance-Sensibilität und kritisches Denken bleiben unerlässlich. Vibe Coding verändert vieles – aber nicht die Notwendigkeit, Technologie wirklich zu verstehen.

UX Designer-Perspektive
Wenn ich an Vibe Coding denke, sehe ich vor allem eins: neue Freiheiten im Designprozess. Ich kann heute Prototypen direkt aussprechen – und sofort testen. Das spart Zeit und eröffnet Raum für das, was mir besonders wichtig ist: Usability, Emotion und Storytelling.
Auch die Zusammenarbeit mit Entwickler:innen hat sich verändert. Wenn ich mit einem KI-generierten Codevorschlag in die Diskussion gehe, kann ich meine Ideen konkreter zeigen – und Missverständnisse reduzieren. Statt mich mit Pixeln aufzuhalten, kann ich der KI sagen: „Dieser Button soll freundlich wirken.“ Das verschiebt den Fokus auf das, was wirklich zählt.
Trotzdem bleibe ich kritisch. KI macht vieles leichter – aber sie wiederholt oft bekannte Muster. Wenn ich nicht genau hinschaue, entstehen schnell homogene Designs, die wenig Charakter haben. Und weil die Ergebnisse oft „fertig“ aussehen, darf nicht vergessen werden die Prototypen zu iterieren und zu vertesten.
Vibe Coding ist für mich kein Ersatz für UX-Kompetenz – aber ein mächtiger Verstärker. Solange ich bewusst arbeite, kann ich damit schneller und emotionaler gestalten. Aber ich weiss auch: Ohne Reflexion geht der Blick fürs Wesentliche schnell verloren.
Wie sieht die Zusammenarbeit in Zukunft aus?
Vibe Coding beeinflusst nicht nur Design und Entwicklung – sondern auch, wie Teams zusammenarbeiten. Was früher über Übergaben und Styleguides lief, findet heute direkt im Tool statt – vorausgesetzt, Prompts sind präzise und Ergebnisse nachvollziehbar.
Die Chance: Designer:innen und Entwickler:innen können in kollaborativen KI-Umgebungen gemeinsam iterieren – in Echtzeit, im kreativen Ping-Pong. Aus Übergaben wird ein direkter Austausch, aus klaren Rollen ein flexibles Miteinander.
Damit das gelingt, braucht es mehr als gute Tools: Offenheit, Lernbereitschaft und gegenseitiges Verständnis werden zum Erfolgsfaktor. Denn Vibe Coding funktioniert nur dann als Brücke, wenn beide Seiten aktiv mitgestalten.

Fazit
Vibe Coding definiert nicht nur Tools neu, sondern auch unsere Rollen:
Entwickler:innen steuern Prozesse strategisch und sorgen für langfristige Codequalität.
Designer:innen gewinnen Freiraum für Nutzererlebnis und Emotionalität – ohne das Handwerk aus den Augen zu verlieren.
Teams arbeiten enger, iterativer und interdisziplinärer zusammen.
KI ersetzt uns nicht – sie erweitert unsere Möglichkeiten. Wer ihre Potenziale gezielt nutzt und ihre Grenzen kennt, kann mit Vibe Coding besser, schneller und nutzerzentrierter arbeiten.
Nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
Arbeiten Sie bereits mit Vibe Coding – oder beobachten Sie die Entwicklung noch aus der Ferne? Erzählen Sie uns, wie Sie die Zukunft der KI-gestützten Zusammenarbeit sehen und nehmen Sie Kontakt zu uns auf!


Nicolas Klein & Milena Suter
UX Software Engineer & UX Designer