Wie können Designer dabei helfen, die Versorgung von Patienten auf Intensivstationen zu verbessern? Genau an dieser Frage arbeiten wir im Forschungsprojekt IMEDALytics.
In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit der Bedeutung von drei Kontextanalysen, die wir im Projekt durchführten — und mit den wertvollen Erkenntnissen, zu denen wir auf dieser Basis gelangten. Alle Details rund um die Problemstellung und Zielsetzung des Projekts erfahren Sie im ersten Teil des Artikels.
Nutzungskontext des Systems verstehen
Damit wir eine gute User Experience gewährleisten können, müssen wir uns ein umfassendes Verständnis der vorgesehenen Nutzerinnen und Nutzer und der technischen Möglichkeiten des zukünftigen Systems erarbeiten.
Contextual Inquiries
Nach einem Scoping Workshop mit allen Projektpartnern statteten wir den Intensivstationen des Uniklinikums Aachen und des Klinikums Dortmund insgesamt drei Besuche ab. Hierbei konnten wir den Arbeitsalltag auf verschiedenen Intensivstationen beobachten und gleichzeitig auf das medizinische Fachwissen des Personals — also der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer — zurückgreifen.
Contextual Inquiries verbinden Beobachtungen und Interviews und sind für uns als UX Designer in diesem Projekt unersetzlich. Sie bieten uns die einmalige Gelegenheit, den Nutzungskontext, die Nutzer und Nutzerinnen sowie wichtige Faktoren, die die Entscheidungen und Handlungen der Healthcare Professionals in ihrem stressigen Arbeitsalltag beeinflussen, zu identifizieren.
Neben diesen Einblicken in den realen Alltag identifizierten wir durch die Besuche, wie wir IMEDALytics so in den Klinikalltag des Medizin- und Pflegepersonals integrieren können, dass das System eine tatsächliche Unterstützung darstellt.
Gewonnene Erkenntnisse
Übergaben
Es war aufschlussreich, zu beobachten, dass es informelle und formelle Informationsübergaben sowie synchrone und asynchrone Kollaborationen zwischen dem Personal gibt. So finden Schichtübergaben statt zwischen
den Ärztinnen und Ärzten untereinander
den Pflegekräften und Ärzten und den
Pflegekräften untereinander
Zusätzliche Absprachen passieren spontan — insbesondere, wenn eine zweite Meinung gefragt ist. Bei Untersuchungen werden weitere Informationen ausgetauscht und Entscheidungen gemeinschaftlich gefällt.
Rollenverteilung
Während die Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten in größeren Zeitabständen sehen und über die geeignete Therapie entscheiden, sehen die Pflegekräfte Patientinnen und Patienten häufiger und sind für das Monitoring des Zustandes sowie die Zielerreichung zuständig. Ihre Beobachtungen über den Zustand der Patienten und Patientinnen und den Erfolg verordneter Maßnahmen sind Teil des Entscheidungsprozesses der Ärzte und Ärztinnen
Dokumentation: digital und analog
Während der Besuche in den beiden Kliniken fanden wir heraus, dass sich die besuchten Stationen stark dahingehend unterscheiden, wie Informationen mithilfe digitaler Systeme dokumentiert werden. Ärztliche Verordnungen, verabreichte Medikamente, Behandlungen und andere Pflegemaßnahmen wurden von Ärzt:innen und Pflegekräften simultan festgehalten. In einer Klinik fand diese Dokumentation digital statt, in der anderen Klinik auf standardisierten Papierbögen — dies macht für unser Projekt einen großen Unterschied!
Aufwände und Belastung
Die Belastung des Personals schwankt sowohl zwischen Wochentagen als auch während eines Tages, bedingt dadurch, wie viele Patientinnen und Patienten auf der Station sind und wie kritisch ihr Zustand jeweils ist. Hinzu kommen Faktoren wie ein konstant hoher Geräuschpegel durch medizinische Geräte. Viele geben bereits bei weniger kritischen Ereignissen akustisches Feedback. Zusätzlich zu dieser Belastung legten die Angestellten wiederholte, teilweise lange Wege zwischen einzelnen Räumen zurück und konnten nur unregelmäßig Pausen einlegen.